Story.one feiert KI statt Storys

Im März 2021 begann ich, Storys auf Story.one zu veröffentlichen. Das Konzept der österreichischen Plattform gefiel mir: Eine Geschichte durfte maximal rund 3500 Zeichen1 lang sein. Andere Nutzer lasen meine Storys und kommentierten, was erstaunlich gut funktionierte. Die Community war lebendig und ich erhielt viel Feedback zu meinen Geschichten, außerdem Likes und Views. Darüber war ich sehr überrascht, weil ich mir bei der «Vermarktung» kaum Mühe gab – ich stellte die Inhalte einfach online und wartete ab.

  1. Oder waren es anfangs sogar nur 2500 Zeichen? Das ist auch möglich, genau weiß ich es nicht mehr.

Ich freute mich sehr über die vielen netten Worte der Menschen, denen meine Storys gefielen. Motiviert nahm ich recht spontan am «Young Storyteller Award» teil und errang den 3. Platz. Fantastisch. Doch dann wurde die Plattform überarbeitet, vor zwei Jahren erfolgte ein großer Relaunch. Oh, no.

Die Views-Angaben meiner Storys gingen verloren, zudem versteckt die Website die Geschichten der Nutzer anstatt sie prominent auf der Startseite zu verlinken. Die «Story des Tages» ist passé. Wenn ich heute eine Kurzgeschichte auf Story.one online stelle, erhalte ich zwei Likes, keinen Kommentar und 29 Views. Natürlich kann es sein, dass meine Storys einfach schlechter geworden sind. Dass ich mein Mojo verloren habe und nur noch gepflegten Unsinn schreibe. Kann sein. Wer weiß? Die Plattform hat jedoch ihre Ausrichtung geändert.

KI als Ghostwriter

Im Fokus von Story.one steht nun die generative KI: Sie soll quasi als Ghostwriter «in wenigen Stunden» ein professionelles Buch erzeugen. Als Basis dienen Texte, Blog-Beiträge, Skripte, YouTube-Videos, Podcasts und anderes Material, das die KI analysiert, strukturiert und anreichert. Man muss der KI nur ein Briefing geben und abwarten, derweil bastelt eine «neurosymbolische KI» das Werk zusammen.

Dabei geht es aber nicht um fiktive Geschichten, sondern um «research-basierte» Sachbücher. Die verkaufen sich wahrscheinlich besser als die seltsamen Storys, die früher den Charme von Story.one ausmachten. Die FAZ wittert jedenfalls schon eine «KI-Revolution bei den Sachbüchern». Wenn es denn so einfach wäre. Ich schreibe meinen Unsinn weiterhin selbst und veröffentliche ihn auf meiner eigenen Website.

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Daniel Berger ist Tech-Journalist in Hannover, er schreibt Artikel über das Internet. Außerdem bloggt er Stadtgeschichten über Hannover. Mehr