Dangast statt Fernflug – Eine Deutschlandreise

Recht spontan und mit dem Zug fuhren wir ans Meer, an die Nordsee, genauer: an den Jadebusen, nach Dangast (Website). Das kleine Nordseebad hat etwas mehr als 500 Einwohner und gilt als Treffpunkt für Künstler, die zum Beispiel dicke Wale malen, die Walter heißen. Das letzte Stück legten wir im Linienbus zurück, von Varel nach D’gast mit dem 253er. Am Steuer saß eine fröhliche Frau, die sofort wusste, wohin wir wollten. Wir waren die gesamte Fahrt lang die einzigen Fahrgäste. Ob es immer so leer sei, fragte ich. Nein, normalerweise sei der Bus rappelvoll, aber wegen Corona würden die Touristen den ÖPNV meiden. Deshalb meistens entspannte Leerfahrten, die auch mal von der eigentlichen Route abweichen, um ein wenig Zeit zu sparen.

Urlaub in Dangast

Normalerweise würden wir zu dieser Zeit eher in Portugal, Italien oder Spanien weilen. Dieses Jahr ist es natürlich anders, plötzlich ist Deutschland die Welt. Manche Leute behaupten, ein Urlaub hierzulande würde eine Auslands- oder gar eine Fernreise ersetzen. Stimmt aber nicht, es ist eine ganz andere Kategorie. In Deutschland fehlt einfach das Unbekannte und Überraschende. Ich kenne alle Marken und Läden, kenne die Mentalität der Menschen und verstehe deren Sprache. Ich kann mich nicht treiben lassen in einem Singsang von Lauten ohne Sinn. Stattdessen höre ich, wie Andreas, Rainer oder Joachim über Radfahrer motzen und Bettina, Renate oder Heike über «diese jungen Leute» schimpfen. Hoffentlich meinen sie uns!

Schwarzes Schaf auf dem Deich.

Es ist tatsächlich etwas anstrengend, ständig deutsche Touristen um sich zu haben. Es sind die einzigen Touristen, weil kein Spanier nach Dangast reist, kein Franzose, kein Peruaner, kein Mongole. Da ist also eine homogene Menschenmasse, die sich am Strand trifft oder hungrig die Hauptstraße entlang schlurft. Viele kurzärmlige Karohemden und beige Schirmmützen sind zu sehen. «Es gibt schon viele Ü-50er hier», hatte der Café-Betreiber im Ort gelästert1. Lässig und cool sind die Leute wahrlich nicht, viele ältere Menschen trugen eine düstere Schwere mit sich herum.

  1. Als wir in seinem Café saßen und lasen, kam er irgendwann an unseren Tisch und lobte uns überschwänglich. Er würde selten junge Menschen sehen, die einfach nur lesen – und zwar Bücher. Als Belohnung gab er uns zwei Iced Latte aus. (Ich las Bonjour Tristesse von Françoise Sagan.)

Auch wenn ein Deutschlandurlaub nicht aufregend ist wie eine Reise ans Ende der Welt, war die Woche in Dangast dennoch schön – und vor allem: entspannend. Wir fuhren mit dem Elektrofahrrad am Deich entlang, da war kein Mensch weit und breit, nur Schafe und das Wasser und der Himmel über uns. Das flache Land erstreckte sich bis an den Horizont; die Weite tat den Augen gut. An einem Tag fuhren wir rüber nach Wilhelmshaven, fuhren durch den Nieselregen, und aßen im «Morgæn» (Facebook) Kuchen zum Mittag. Eine andere Tour führte uns übers Land zum gemütlichen Hof-Café «Horster Grashaus» (Website), wo wir uns mit einer Brotzeit stärkten.

Wilhelmshaven am Horizont (ganz rechts).

Ansonsten lümmelten wir stundenlang im Strandkorb herum, der sich sogar per App entsperren ließ. Abends aßen wir köstliche Pizza im «Pani e Vini» (inzwischen leider geschlossen) und tranken cremigen Milchkaffee in der «Zweiten Heimat» (Facebook). Ich verliebte mich in eine Hündin namens Leni und war kurz davor, mit ihr durchzubrennen. Doch meine (menschliche) Verlobte vereitelte diesen Plan, indem sie Tiramisu bestellte. Das war vorzüglich! Allein deshalb lohnt sich die Reise nach Dangast. Nehmen Sie den Bus, der ist schön leer.

Wer nicht mit dem Auto anreist, fährt mit dem Zug nach Oldenburg, steigt dort um und fährt weiter nach Varel. Wer nun etwas Zeit hat, geht zu Fuß nach Dangast: Die schönere Strecke führt am Meer entlang und ist etwa zehn Kilometer lang. (Auf direktem Weg sind es nur sieben Kilometer.) Wer es eilig hat, steigt ins Taxi oder wartet auf den Bus. Unsere Unterkunft haben wir auf Airbnb gefunden.

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Daniel Berger ist Tech-Journalist in Hannover, er schreibt Artikel über das Internet. Außerdem bloggt er Stadtgeschichten über Hannover. Mehr