Short Story

Liebe mit drei Buchstaben

Renate löst gern Kreuzworträtsel – und sie sucht die große Liebe. Wird sie beim Speeddating endlich fündig werden? Leider nicht: Günther sammelt Steine und Harald weidet Tiere aus.

Mit der Liebe hat sie es eilig, deshalb geht sie zum Speeddating. Renate Heumann schaut in die geröteten Augen von «Mathias», der ihr gegenübersitzt. Er arbeitet im Vertrieb, was eigentlich schon ein Ausschlusskriterium ist, denn Außendienstler sind nie zu Hause, sondern rammeln sich fröhlich durch die Republik – das hat Renate oft genug im Fernsehen gesehen. Am liebsten schaut sie Tatort, den sie immer aufnehmen muss, weil sie sonntags mit ihrer lieben Frau Mutter telefoniert. Die hat keinen Fernseher, weil sie sich für intellektuell hält.

«Aber das führt zu weit», unterbricht Renate sich selbst und fragt Mathias, was er in seiner Freizeit macht.

«Eigentlich nichts», gesteht er freimütig.

«Aha», brummt Renate – und schon sitzt der nächste Mann an ihrem Tisch.

Jetzt erklärt er detailliert, wie er irgendein Tier ausweidet

Bereits auf den ersten Blick sieht «Harald» recht seltsam aus; irgendwie schräg montiert wie ein billiger Kleiderschrank, der nie perfekt schließt und immer knarzt, wimmert und wackelt. Harald redet zu leise, flüstert fast wie bei der Beichte – Renate muss sich anstrengen, das Geflüster einigermaßen zu verstehen. Harald scheint Jäger zu sein, er redet jedenfalls von Schusswaffen und Innereien – und jetzt erklärt er detailliert, wie er irgendein Tier ausweidet. Schweiß steht ihm auf der Stirn, seine Glatze glänzt.


Das Glöckchen läutet und der nächste Mann plumpst auf den Stuhl. Er sieht attraktiv aus, das schon, aber er scheint ziemlich einfältig zu sein. Renate bestellt einen dritten Rotwein, der ungemein hilft, die vielen Nieten zu ertragen. Groß war der Ertrag bisher jedenfalls nicht: Neulich hat sie den «Thomas» mit nach Hause genommen – der hat sie dann im Prinzip vergewaltigt. Zur Anzeige hat sie das nicht gebracht, denn Renate hasst die Bullen und der Abend war insgesamt doch schön gewesen, findet sie. Seitdem ghostet sie den Thomas.

«Na ja, ich sammle Steine», unterbricht «Günther» ihre Erinnerungen.

«Ach, Steine?»

«Jawohl.»

«Sind das diese schönen Zaubersteine, die gegen Krebs und Pickel helfen?»

«Nein. Das sind normale Steine, genauer gesagt Lesesteine», berichtet Günther ohne jede Begeisterung in der Stimme.

«Diese grauen Steine, die überall herumliegen?»

Günther nickt und ergänzt gewissenhaft weitere Details. Es sei die Oberfläche der Steine, die er gern fühle. Mit der Wange auch, oder mit der Zunge.

«Schmecken so schön salzig», säuselt er. Mit seinen erstaunlich dicken Händen formt er dann einen imaginären Stein, um seine typische Größe zu veranschaulichen: «Ungefähr so groß sind die Steine, die es in meine Sammlung schaffen», kommentiert Günther seine Geste. Seine Finger sind grau und krumm.

Renate ist sprachlos.


Dann sitzt schon der nächste Trottel vor ihr: «Andreas», Beamter im Finanzamt Nord. Renate hasst nicht nur die Bullen und Thomas, sondern auch das Finanzamt, das ihr regelmäßig Drohbriefe schickt, die sie nicht versteht, dabei kann sie Deutsch sehr gut – exzellent sogar, sie kennt zahlreiche seltene Wörter und Redewendungen. Gemeinsam mit ihrer lieben Frau Mutter löst sie stundenlang Kreuzworträtsel, ackert ein Rätselheft nach dem anderen durch, um endlich eine Kreuzfahrt zu gewinnen. Bisher leider vergeblich. Doch das, was das Finanzamt zu Papier bringt, rafft Renate nie auf Anhieb.

«Kann ich auf den Tod nicht leiden, so etwas!», schimpft sie. «Das ist systematisch und einschüchternd, das faschistoid und kafkaesk!»

Schnell redet sie sich in Rage, während Andreas zu weinen beginnt, was Renate nur noch wütender macht. Lappen, Geck, Blödling! Sie kippt sich den Wein in den rauen Schlund und rülpst versehentlich.

Erlösung: Das Glöckchen läutet. Doch für heute hat Renate Heumann die Schnauze voll.