Roadtrip im Megabus

Für wenig Geld reisen wir in etwas, das Megabus heißt, von Chicago nach Indianapolis. Das Land ist flach und endlos. Da draußen wartet auf uns: die Hölle.

Chicago, 10. September 2015: Es ist kurz nach 11 Uhr und wir befinden uns in der Van Buren Street, neben der stillgelegten Post. Die Fenster sind alle vernagelt, weil niemand mehr Briefe schreibt. Wir warten auf ein Ding, das sich Megabus nennt und uns nach Indianapolis bringen wird. Als wir aus dem Taxi gestiegen sind, waren bereits zahlreiche Leute da, die angespannt auf den Bus warteten. Weil wir für eine Handvoll Dollar zwei Sitzplätze am 4er-Tisch reserviert haben, können wir einigermaßen entspannt bleiben. Andere werden um einen guten Platz kämpfen müssen. Wer bereit ist, mehr Geld auszugeben, darf verträumt in den Himmel starren.

Unsere Fahrt kostet 22 US-Dollar für zwei Personen, zuzüglich Booking Fee. Das ist durchaus teuer: Wer schnell ist, bekommt Tickets bereits für einen lausigen Dollar. Megabus setzt aufs Yield-Management, das typischerweise Fluggesellschaften verwenden: Die niedrigsten Tarife werden denjenigen angeboten, die früh buchen.

Gar nicht so mega

Es ist dann eng wie im Linienbus – von wegen also mega. Am Heck des Busses verlud ein Mann, der aussieht wie Jamie Foxx, unsere adipösen Koffer. Mit mir schimpfte Jamie: «Zu viele Taschen für zwei!» Wir durften trotzdem mit, und ich musste ihn nicht mal bestechen. Könnte ich auch gar nicht: den Dollarschein diskret in der Handfläche halten und ihn händeschüttelnd wie im Mafiafilm überreichen. Würde total lächerlich aussehen: Wie mir der Schein aus der Hand fällt und im Winde verweht. Peinliche Stille. Lieber nicht.

Der Lautsprecher scheppert: Jamie gibt die Regeln durch, die im Megabus herrschen. Nur Verbote. Am besten bleibt man einfach still sitzen, atmet leise und schaut aus dem Fenster. Endlich schweigt der Lautsprecher wieder und Jamie setzt sich zu einer dicken Frau, die eine Perücke trägt. Und ein lila Kleid. Und lila Socken. Ihre Tasche ist auch: lila. Wie ihre Fingernägel. Die Frau liebt die Farbe Lila. Und sie versteht sich blendet mit Jamie, beide lachen viel. Und laut. Jamie ist glücklich verliebt.

Ich hingegen habe Pech: Mir gegenüber sitzt ein dürrer Junge, den ich nicht leiden kann. Zwischen uns befindet sich ein schmaler Tisch, auf dem sein Zeug liegt. Er hat es sich richtig gemütlich gemacht auf seinem Platz, jetzt zieht er auch noch seine Schuhe aus. Und die Socken. Es stinkt nach Füßen, nach Schweiß und Tod. Die Fahrt wird noch vier Stunden dauern. Kann man hier die Fenster öffnen? Ist das erlaubt, Jamie? Er schüttelt den Kopf. «Sorry.»

Hell Is Real,
Jesus Is Real

Der Bus braust über den endlosen Freeway. Die lila-liebende Frau telefoniert nun mit ihrer besten Freundin und spielt nebenbei Candy Crush auf einem zweiten iPhone. Draußen zieht die amerikanische Landschaft vorbei: braunes Gestrüpp am Straßenrand, geplatzte Reifen und überfahrene Tiere im Todeskampf. Ein riesiges Schild verkündet düster «Hell Is Real, Jesus Is Real». Ein anderes verspricht: «Free Breakfast!» Doch ich weiß: Nichts im Leben ist umsonst.

Abgedrehte Gedanken

Die arme Frau, die neben Stinkefuß sitzen muss, liest die gleiche Zeitschrift wie ich: Psychology Today, Titelthema: Wicked Thoughts. Abgedrehte Gedanken habe ich auch, wenn ich den dürren Jungen anschaue. Wie er da gelangweilt aufs iPhone gafft; wie er seine stinkenden Käsemauken ausstreckt. Wie er seine Fingergelenke knacken lässt. Ficker. Ich hasse ihn. Aber ich bin zu höflich und zu feige, um ihm ins Gesicht zu brüllen: «The Smell Is Real!»

Würde ihm so gern seine Füße abhacken und aus dem Fenster werfen, um endlich den Gestank loszuwerden.

Bitte! Aber Jamie schüttelt wieder den Kopf. Sorry.