Kinder sind unerwünscht

Glosse. Es gibt spezielle Cafés für Eltern und ihre Kinder. Dort können die Kleinen in «Erlebniswelten» spielen – oder im Bällebad ertrinken. Wahrscheinlich ist das ein lauter Ort, an dem Erwachsene eigentlich nicht so gern sind. Außerdem gibt es noch Indoor-Spielplätze. Die sind wirklich die Hölle, denn da ist es noch lauter und noch wilder. Überall rennen fremde Kinder herum, die oft seltsam sind. Anarchie und Remmidemmi.

Gut, dass es solche Orte gibt. Immerhin müssen Eltern dort nicht ständig Schhh! machen oder das Kind zurechtweisen. Es darf einfach mal Kind sein und bis zum Hörsturz kreischen. Aber wie traurig ist zugleich, dass es solche Orte geben muss? Dass Kinder nur in bestimmten Umgebungen so sein dürfen, wie sie eben sind. In einem regulären Café1 sollen die Kinder – wenn sie schon anwesend sein müssen – bitte ruhig sein. Unsichtbar. Niemals stören, niemals laut sein. Nicht nerven! Das mögen die Leute nicht, sie wollen ungestört über Luhmanns Zettelkasten philosophieren oder über Jazz und Politik und Versicherungen reden. Kinder sollen nicht wirklich Teil der Gesellschaft sein. Das ist nämlich zu anstrengend.

  1. Als vor einigen Jahren ein Café in Hamburg Kinder unter 6 Jahren für unerwünscht erklärt hatte, berichtete darüber sogar der Spiegel. Die Chefin des Cafés erklärte damals, dass sie kein «spendenfinanziertes demokratisches Mutter-Kind-Projekt» betreibe. Das klang ziemlich aggressiv, inzwischen ist das Café dauerhaft geschlossen.

In Hannover gibt es das «GlüxxEck», ein schönes Café in unserem Stadtteil, das anfangs auch eine feine Spielecke bot. Es war gemütlich dort und der Sohn konnte spielen, und wir saßen daneben und tranken Kaffee und aßen Kuchen. Das Café schaffte es, die Interessen der Kinder und die der Eltern auf angenehme Weise zu kombinieren.

Doch dann verschwand die Spielecke. Als Ersatz gab es im Nebenraum zwar viel Spielzeug, aber dort war es längst nicht so gemütlich wie im eigentlichen Gastraum. Ich fühlte mich ziemlich abgesondert. Eines Tages verschwand auch dieses Spielangebot, außerdem der Außenbereich mit Rutsche, den wir im Sommer gern genutzt hatten. Wir saßen in der Abendsonne, tranken Flat Whites und der liebe Sohn spielte mit Dinosauriern, weil er vom Zettelkasten nix wissen wollte.

Unser Sohn spielte mit Dinos, weil er vom Zettelkasten nix wissen wollte

Nun steht die Rutsche außerhalb des Café-Geländes an der Straße, und das ehemals familienfreundliche Café serviert Cocktails. Das ergibt aus betriebswirtschaftlicher Sicht sogar Sinn: Kinder geben wenig Geld aus, denn sie haben oft keines. Sie sind mittellos. Das Beispiel zeigt, wie Kinder erst an den Rand gedrängt und schließlich verdrängt werden. Niemand hat Bock auf Kinder, die den Betrieb oder die Gäste stören. Dabei wissen wir doch alle, wer wirklich stört: die verdammten Raucher!

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Daniel Berger ist Tech-Journalist in Hannover, er schreibt Artikel über das Internet. Außerdem bloggt er Stadtgeschichten über Hannover. Mehr